In den letzten Wochen war viel von „religiösen Gefühlen“ die Rede, und zwar von deren Verletzung. Anlässe waren Karikaturen auf der Kunstausstellung „documenta“ in Kassel, in Zeitungen und Magazinen. Und zuletzt gab es den in den USA produzierten Film „Die Unschuld der Muslime“.
Wenn etwas, das mir wertvoll ist, verunglimpft oder lächerlich gemacht wird, dann verletzt mich das. Wenn jemand mein „religiöses Gefühl“ verletzt, dann muss ich immerhin eines haben. Für mich kann ich sagen: Ich habe eins, denn mein Glaube ist nicht nur Kopfsache, er hat auch mein Gefühl eingenommen. Christus ist in mir und ich bin in ihm. Wir sind so eng miteinander verbunden, dass es mich natürlich verletzt, wenn man Christus lächerlich macht. Es gibt natürlich auch viele Menschen, deren religiöses Gefühl man nicht verletzen kann, denn sie haben keines.
Viele Muslime haben auch religiöse Gefühle. Schon die bildliche Darstellung Mohammeds wirkt auf viele verletzend. Was sich jedoch an Gewalt gegen US-amerikanische Botschaften und deren Personal entlädt, das speist sich meist aus anderen Quellen. Es ist z.B. für manche Machthaber sehr einfach, von innenpolitischen Problemen abzulenken und den Feind außerhalb des Landes ausfindig zu machen. Diese politischen Führer missbrauchen die religiösen Gefühle der Menschen.
Aber Achtung: Es gab auch friedliche Demonstrationen von Muslimen, gerade in Deutschland. Oder Muslime, die kein besonderes Interesse am besagten Film haben. Doch solche Nachrichten und Bilder sind für die TV-Sender nicht so spannend.
Im Kern meines Glaubens geht es nicht um „religiöse Gefühle“. Es geht um Christus. Er ist der Anker meiner Seele. Er ist der Fels, auf dem ich stehe. Er ist meine Rechtfertigung, mein Heil und meine Heiligung. Er ist Anfang und Ende, Anfänger und Vollender meines Glaubens. Ob ich das fühle? Manchmal ja, manchmal auch nicht. Aber es tut mir weh, wenn jemand Jesus Christus geringschätzig betrachtet oder ihn als Deppen darstellt. Aber dann frage ich mich: Hat man ihn nicht damals auch geringschätzig behandelt? Gehört es nicht zu der besonderen Botschaft, dass sich der Sohn Gottes, der die Herrlichkeit verließ, als Mensch missachten, schlagen und anspucken ließ. Dass er darin und in seinem Tod am Kreuz, die Sünden der Menschen auf sich nahm? Ja. So war es.
Deswegen unterscheide ich. Erstens: Als Nachfolger Jesu nehme ich es in Kauf, dass man meine „religiösen Gefühle“ verletzt. Ich sage „Danke. Damit ehrst du mich, meinem Herrn zu folgen.“ Aber das kann ich nur sagen, wenn ich mir eingestehe, dass es mich verletzt. Ich tue nicht so, als sei mir das egal. Wem die Verunglimpfung egal ist oder wer das vorschnell abtut, der folgt nicht Jesus, sondern seiner Gleichgültigkeit. Als Jesusfolger muss ich einkalkulieren, dass man ihn heute genauso lächerlich macht, wie es vor 2000 Jahren der Fall war. Meine Antwort soll nicht die Rache sein, indem ich z.B. andere verunglimpfe. Ich will segnen und achten.
Zweitens: Als Bürger dieses Landes und mitdenkender Zeitgenosse sage ich: Das soll nicht der Stil sein, wie in Deutschland mit Menschen umgegangen wird. Dabei geht es gar nicht einmal um Religionen, sondern es geht um Menschen. Was ich in den letzten Jahren an Verunglimpfung und Missachtung von Menschen – vor allem im Internet – gelesen habe, das ist zum Teil entwürdigend, es ist schädlich für das Miteinander von Menschen. Höflichkeit, Zuvorkommen und Achtung muss eingeübt werden. Darüber muss gesprochen werden.
Und drittens: Ich möchte nicht in einem Land leben, wo Menschen ihre Meinung über unseren Glauben nicht offen sagen können. In einer Demokratie soll jeder Bürger auch die Religionen kritisieren und gegen sie polemisieren dürfen. Das gehört zu unserer Freiheit. Geschmacklosigkeiten müssen dann ertragen werden, fallen zum Glück aber meist auf ihre Autoren zurück. In Deutschland sind religionskritische Äußerungen oder Karikaturen erlaubt, solange sie nicht den öffentlichen Frieden gefährden. Damit wird die Reaktion der Betroffenen zum Kriterium für solch ein Einschreiten des Staates. Hier lauert die Gefahr, die Gewaltbereitschaft von Menschen zum Kriterium des Handelns zu machen. Diesem Kriterium sollte sich ein Staat nicht unterordnen.